Kilimanjaro – Zwischen Himmel und Hölle

Seitdem ich 2009 den Kilimanjaro mit seinem schneebedeckten Kibo-Gipfel von kenianischer Seite gesehen habe, bin ich fasziniert von diesem Berg.  So sehr, dass in mir seitdem der Wunsch schlummert diesen einen fantastischen Berg einmal zu erklimmen, solange er noch die schneebedeckte Kappe hat. Leider sind die Prognosen für den Fortbestand der Gletscher dort oben aufgrund der allgemeinen Erderwärmung alles andere als gut.

2013 soll es nun soweit sein. Wandererfahrung habe ich keine, bin aber sportlich ganz gut in Schuss.

08-09-2013

Treffen der Nationen in Moshi

16 Uhr: Lagebesprechung für die Challenge der nächsten 6 Tage

Noah stellt unseren Chiefguide Haje und die Assistent Guides Norbert und Fred sowie Salu und Andrew vor. Zwischendrin ein Abchecken der anderen Teilnehmer. Sehen eigentlich alle ganz nett aus, mehr Mädels als Männer. Vor dem Abendessen sitzen wir zusammen und lernen uns etwas kennen. Da ist Artemis aus USA, die bereits in Uganda unterwegs war, Flip aus Holland und Harry aus UK, die beide mit dem Überlandbus aus Nairobi in 8 Stunden Schunkeltour angereist sind. Angie und Kate aus NZ, beides wahre Sonnenscheine von der ersten Minute an. Chris aus Kanada, sowie Andrea ebenfalls aus den USA. Der Rest der Truppe ist noch nicht aufgetaucht. Beim Abendessen sitzen wir fröhlich plaudernd und lachend zusammen – alle sind gespannt, was die nächsten 6 Tage bringen werden. Ich freue mich auf die Tage mit dieser bunten Truppe.

09-09-2013

Die Nacht war kurz – heute soll es losgehen, die Machame Route in 6 Tagen.

Nach einer letzten zivilisierten Duscheinheit und einem guten Frühstück lernen wir heute Morgen auch die verbleibenden 3 Teammitglieder kennen, die in der Nacht angereist sind. David aus Kalifornien, Vicky aus Spanien und Mary aus Irland.

Der Bus steht schon parat, unser Gepäck  wird auf dem Dach verstaut und schon sind wir unterwegs Richtung Machame Gate, wo das ganze Abenteuer beginnen wird. Ein LKW mit unseren Portern und Equipment folgt.

Am Machame Gate auf bereits 1828 Metern eine kurze Registrierung. Es gibt eine leckere Lunchbox und schon spazieren wir in langsam ansteigenden, gut zu wandernden Wegen fröhlich plaudernd durch beeindruckende Regenwälder. Ganz vorn Fred, der das Tempo bestimmt, hinten schiebt Haje die Truppe an.

Blick auf eine Gruppe die auf den Kilimanjaro wandert
© Photo by Crispin Jones on Unsplash

Nach einer halben Stunde wird das quatschen weniger, jeder muss sich erst einmal mit seinem Equipment arrangieren. Ganz viel trinken, das ist oberste Prämisse für die nächsten Tage. Mein Trinksystem (ein Camelbak) für meinen Rucksack, wird sich im Verlaufe der kommenden Woche noch als Gold wert herausstellen. Immer schön pole-pole (langsam, langsam), nur so ist der Aufstieg zu schaffen.

Gegen 16 Uhr erreichen wir das Machame Camp auf 3100 Metern gelegen. Unsere fleißigen Porter haben bereits alles aufgebaut. Die Zelte, das Essenszelt mit Tisch und Stühlen und sogar Tischdecken. Und, es gibt sogar ein Klozelt mit einem Porta Potti.

Vor dem Dinner gibt es noch eine Schüssel mit warmen Wasser zum frischmachen – das tägliche warm, wonderful washing. Tee und Kaffee, sowie Popcorn und Kekse stehen schon bereit. Zum Dinner gibt es eine fabelhafte Suppe, die schön aufwärmt, es folgen Kartoffeln und Fisch.  Alles super lecker und so muss keiner hungrig in die Nacht gehen.

Draußen zeigt sich in der Dämmerung kurz der Kibo, schneebedeckt. Der Kibo mit Uhuru Peak ist neben dem Mawenzi und dem Shira der Hauptgipfel des Kilimanjaro Bergmassives. Die Dämmerung und das Schauspiel des Kibos, dauern keine 10 Minuten, dann ist es stockdunkel. In Äquatornähe geht die Sonne so schnell unter wie sie morgens aufgeht. Völlig erledigt von den Eindrücken des ersten Tages liegen alle noch vor 20 Uhr in den Schlafsäcken.

Es ist bereits ganz schön kalt. LALA SALAMA SIMBA – Schlafe wie ein Löwe.

10-09-2013

Die erste Nacht wird unruhig und eiskalt, nächste Nacht wird definitiv mit Mütze geschlafen. Um 6 Uhr ist die Nacht zu Ende, es gibt heißen Tee direkt an den Schlafsack. Vor dem Zelt Frost! Der Kibo heute Morgen wolkenlos mit beeindruckender Macht. Das Frühstück unglaublich. Es gibt heiße Suppe, Kaffee und Gingertea, geröstetes Toast mit Spiegeleiern, Marmelade und Peanutbutter.

Um 8 Uhr ist Abmarsch, die nächste Etappe, das Shiracamp ist auf 3840 Metern gelegen. Die Wegstrecke mit 7 km heute nicht allzu lang, dafür aber sehr steil mit einigen Kletterpartien und anspruchsvoll. Man muss teils genau hinsehen, wohin man den nächsten Fuß setzt und sich teilweise auch mit den Händen absichern. Es geht raus aus der Baumgrenze. Der Kibo bei strahlendem Sonnenschein ein ständiger Begleiter.

Blick auf eine Gruppe die auf den Kilimanjaro wandert
© Photo by Crispin Jones on Unsplash

13 Uhr Ankommen im Shiracamp und schon wieder ist alles angerichtet. Es gibt wieder warmes Wasser zum frischmachen und ein leckeres Lunch im Messezelt. Vorsuppe, Pasta mit Soße und zum Dessert Früchte. Dazu Tee und Kaffee - unfassbar. Danach ist Siesta angesagt.

Gegen 16:30 dann zur Akklimatisierung ein kurzer Spaziergang auf 4000 Meter.

Es wird deutlich kälter, der Tag neigt sich dem Ende, die Sonne verliert an Kraft und eine tiefschwarze afrikanische Nacht legt sich über das Camp.

11-09-2013

Auf 3840 Metern Höhe im Shira Camp ist es morgens eiskalt. Die Zeltplane gefroren, sodass die Tür kaum aufzurollen ist. Wie gestern bereits angekündigt wird heute ein kleines Höhentrainingslager eingeschoben. Es geht hinauf zum Lava Tower auf 4750 Meter und danach wieder hinab auf das in 3900 Metern gelegenen Barranco Camp.

Lunchstop auf dem Lava Tower. Der eine oder andere sieht aufgrund der Höhe heute Mittag nicht mehr ganz so gut aus.

Zum Abstieg fängt es an zu regnen. Jetzt ist regenfestes Equipment gefragt. Felsen und Geröll mit kleinen Bachläufen bestimmen das Bild. Die Vegetation wird spärlich. Der Regen hört zum Glück schnell wieder auf – die Stimmung großartig.

Ein Mensch steht auf einem Berg Massiv und schaut hinunter
© Photo by David Magalhães on Unsplash

Gegen 17 Uhr Eintreffen im Barranco Camp über das sich mächtig und imposant die berühmt, berüchtigte Barranco Wall aufbaut.

12-09-2013

Nach einem stärkenden Frühstück ist heute die Barranco Wall zu bezwingen. Die Barranco Wall ist eine riesengroße, imposante Felswand, die es kletternd und kraxelnd hinauf geht. Es wird ein Riesenspaß. Die Guides zeigen bei kniffligen Stellen genau wie Füße und Hände zu setzen sind. Wieder überholen sogar hier unsere fleißigen Porter mitsamt Messezelt, Klappstuhl und Porta Potti auf dem Buckel. T-I-A, this is africa.

Bevor es am Nachmittag durch das auf 4200 Meter gelegene Karanga Valley geht, halten unsere Porter und Köche wieder ein leckeres Lunch bereit. Nicht zu fassen, da steht doch tatsächlich schon wieder das Messezelt – irgendwo im Nirgendwo. In der Zwischenzeit setzt Regen ein, richtig starker Regen. Wir freuen uns, dass wir das Lunch so gut abgepasst haben und im Trockenen sitzen. Dann kommt Haje, unser Sonnenschein, und bläst zum Abmarsch. „Wie bitte? Es gießt in Strömen!“ Gut gestärkt geht es also wieder mit Regenhose und Ponchos durch das langgezogene Karanga Valley. Hier könnte man auch durchaus einen Western drehen, so karg ist es hier. Die Wegstrecke ist mit 13 km abwechslungsreich und anspruchsvoll. Der Regen aber zum Glück wieder nur von kurzer Dauer.

16 Uhr Ankunft im Barafu Camp, dem auf 4670 Metern gelegenen Basiscamp der Machame Route.

Von hier aus soll es heute Nacht zum Summit zum Uhuru Peak raufgehen. Das Camp mit Portern und Köchen bleibt hier. Das Klozelt heute direkt an der Steilwand nach unten gelegen.

Das Dinner kommt heute einer Henkersmahlzeit gleich. Es gibt eine Pastaparty zum Energietanken. Heute Nacht soll es losgehen, das ganze Camp ist in gespannter Erwartung. Schaffe ich es – schaffe ich es nicht?

Jetzt bin ich noch einmal mehr froh, dass ich so einen warmen und guten Schlafsack habe. Es ist bitterkalt. Damit die Kamera bei den starken Minusgraden mitmacht, kommt sie kurzerhand mit in den Schlafsack. Ich trage bereits fast alle Sachen für den Aufstieg, denn umziehen will ich mich heute Nacht nicht mehr großartig. Höchstens noch etwas drüber.

13-09-2013

Gegen 23 Uhr wecken, heute Nacht soll es  die Nacht der Nächte werden. Es soll ein 6 Stunden Marsch zum Uhuru Peak auf 5895 Metern zum Summit werden.

Gegen die eisige Kälte trage ich 5 Lagen, 1 lange Unterhose, eine wind-und wasserdichte Softshellhose und 2 Paar Handschuhe. Ach ja, und 2 Mützen, sowie die Kapuze meines Hoodies und die meiner Wetterjacke. Toewarmer auf die Füße und in die Handschuhe. Das Camelbak hält 3 Liter Wasser für mich bereit, zuzüglich meiner Thermoskanne mit heißem Gingertea. Später werde ich dankbar um jedes warme Teil sein, das ich an mir trage.

23:30 Treffen im Messezelt, das ganze Camp ist in gespannter Aufbruchstimmung. Es wuselt von aufgeregten Leuten, jeder ein Headlight auf dem Kopf. Die Nacht wieder stockfinster, aber sternenklar. Halbmond. Zu Mitternacht zieht unsere Karawane aus 18 Leuten los. Vorn Haje mit Salu und Fred, hinten sichern Norbert und Andrew ab, dass auch ja keiner verloren geht.

In dieser Nacht sind mehrere Gruppen unterwegs, obwohl die Nacht stockfinster ist, sind die anderen Gruppen aufgrund ihrer Kopflichter wie Glühwürmchen auf einen Schnur aufgereiht auszumachen. Das Ziel in der Finsternis nicht zu sehen, gefühlt sehe ich aber hunderte von Metern über mir die Kopflichter, die im Sternenhimmel verloren gehen. Es sollen 7 lange Kilometer bergauf werden. Bei jedem Schritt, den man vor macht, rutscht man einen halben auf dem lockeren Boden wieder zurück.

Frei nach dem Motto pole-pole, gehe ich die Nacht langsam an und bleibe etwas hinter der Gruppe. Guide Norbert der Schlingel zieht das Tempo an, geht teilweise querfeldein, um verlorene Zeit wieder wettzumachen. Ich nehme die Challenge an, bin fit und mit mir kann man so etwas durchaus machen. Ich vermeide den Blick auf die Uhr, den Blick nach oben auf die Lichterkette der anderen Gruppen kann ich nicht widerstehen und kann nicht fassen, wie weit es noch hinaufgehen soll.

Wir kommen 2 Stunden richtig gut voran. Allerdings ist der Zugang zu meiner Wasserversorgung eingefroren, ich habe selbst nichts mehr zu trinken, was doch gerade hier so wichtig ist. Norbert hat meine Thermoskanne mit dem heißen Gingertea in seinem Rucksack und so muss ich ihn alle 10 Minuten bitten, mir doch bitte etwas zu trinken zu geben. Das hält wenigstens wach. Jetzt kann ich nicht widerstehen und frage wie lange es etwa noch bis Stella Point ist. Stella Point ist der erste Punkt an dem die Machame Route auf den Kraterrand stößt. Die Antwort will ich nicht wirklich hören. Es sollen 3 lange Stunden werden.

Körperlich bin ich wirklich gut in Schuss, ich habe weder die für die Höhenkrankheit typischen Kopfschmerzen noch ist mir schlecht. In Anbetracht der noch verbleibenden 3 Stunden überkommt mich aber eine brutale Müdigkeit. Ich lerne, auch während des Wanderns schlafen zu können. Jetzt ist es super gefährlich, ich stiere nur noch auf die Haken von Norbert und schlurfe monoton hinter ihm her. Während einer kurzen Gingerteapause schlafe ich innerhalb von Sekunden auf einem Felsen sitzend ein. Ein „Hey Hanna, don´t sleep“ holt mich in die dunkle Nacht  zurück. Dann allerdings erwische ich auch Norbert, wie er ganz kurz in einer anderen Welt unterwegs ist. Die Müdigkeit wird immer quälender. Jetzt fordert der Kibo ganz viel mentale Stärke. Die Unterhaltung zwischen Norbert und mir beschränkt sich jetzt nur noch aus einem „Hanna, are you okay?“ und einem kurzen „hm“.

Um 5 Uhr kann ich dem Blick auf die Uhr nicht mehr widerstehen und freue mich, dass in einer Stunde ein neuer Tag diese lange Nacht ablöst. Gegen 6 Uhr sehe ich bereits das erste Ziel, das Schild vom Stella Point. Norbert knipst mir das Licht auf dem Kopf aus, es ist jetzt hell genug.

6:30 stehe ich fotoparat vor dem Schild Stella Point auf 5745 Metern. Es gibt ein kleines Frühstück aus Strawberry Keksen und einer Tüte Mangosaft. An essen ist nicht zu denken, ein wenig japse jetzt auch ich nach Luft, während ich mich ergriffen auf dem Dach von Afrika umschaue. In diesen Minuten friert mir der Mangosaft, den ich in der Hand halte ein. Es ist bitterkalt und windig und hier bin ich heilfroh um jede weitere Schicht mehr, die ich angezogen habe.

Zum Uhuru Peak ist es nun nur noch ein Katzensprung. Von Müdigkeit ist nichts mehr zu spüren, ich bin hellwach und stehe plötzlich vor dem Congratulation Schild vom Uhuru Peak. Der Morgen heute wolkenlos kann man gefühlt ganz Afrika überblicken. Ich bin umgeben von Jahrtausend Jahren alten Gletschern, halte mein Mangoeis immer noch in der Hand und habe es tatsächlich geschafft.

Blick auf ein Camp auf den Kilimanjaro bei Nacht
© Photo by Tom Cleary on Unsplash

Es ist eisig kalt, es können nicht mehr als -10 Grad sein, der Wind verstärkt es noch so sehr, dass es keine 20 Minuten dort oben auszuhalten ist. Auch kann ich den Moment gar nicht so richtig genießen, es läuft alles wie in einem Film ab. Ich herze meine Mitreisenden und unsere süßen Guides und möchte eigentlich ganz schnell wieder runter.

Gegen 8 Uhr geht es wieder zurück auf den 7 km langen Rückweg. Da es nun hell ist, ist nun auch die Wegstrecke zu sehen. Es ist lockeres  Vulkangestein und -geröll. Wir sliden wie die Snowboarder in riesen Sprüngen hinunter. Die erste halbe Stunde ist es noch ein Riesenspaß, wir fühlen uns wie die Kinder, sauen und stauben uns ein, quietschen und grölen vor Freude. Dann merke ich, dass es richtig auf die Knochen geht. Die Konzentration weicht der nun wiederkehrenden bleiernen Müdigkeit. Auch jetzt schlafe ich während der Pausen wieder sitzend auf einem Felsen innerhalb von Sekunden ein. Unsere Guides aber drängen weiter, das Barafu Camp in ganz weiter Ferne unten bereits zu sehen. Mein Körper funktioniert nur noch, die letzten 9,5 Stunden hat der Kibo ihm alles abverlangt was möglich ist.

Endlich wieder im Barafu Camp angekommen bin ich nicht in der Lage auch nur irgendetwas zu denken oder zu  fühlen. Ich wüsste auch nicht was. Weiß nicht, ob ich stolz oder euphorisch sein soll – bin einfach nur total leer. Völlig eingesaut und verstaubt schaffe ich es gerade noch meine Boots auszuziehen und falle schon auf dem Weg in die Waagerechte in einen tiefen, traumlosen Schlaf.

2 Stunden später wache ich in einem wohlig warmen Zelt auf, muss mich erst einmal orientieren und checke nach und nach, ob noch alle Körperteile an mir sind und funktionieren. Ganz langsam kommt die Erinnerung der letzten Nacht zurück. Ich krabbele aus meinem Schlafsack und schaue den Berg hinauf. Unfassbar, da soll ich heute Nacht oben gewesen sein? An meinem Zelt  kommen jetzt die 3 Chilenen vorbei, die wir die letzten Tage immer wieder auf der Strecke getroffen haben und fragen: „Have you done it? Yes, I think so, but never ever again!“ Sie haben den Aufstieg in der nächsten Nacht noch vor sich.

Jetzt stehe ich vor dem Zelt und klatsche noch einmal meine nächtlichen Mitstreiter ab. Nach 5 Tagen Schlafmangel, ohne Dusche und den Strapazen der letzten Nacht sehen wir alles etwas derangiert aus. Im ganzen Camp sitzen überall Leute auf dem staubigen Boden und tauschen die Erlebnisse der letzten Nacht aus.

Der Aufstieg zum Kibo ist wirklich nicht zu unterschätzen. Jeder kommt in dieser Nacht an seine Grenzen, überschreitet sie sogar. Immer wieder müssen Leute umkehren, kommen gestützt von den Guides und Portern den Berg hinab oder benötigen sogar die Sauerstoffmaske. Jeder der auf dieser letzten, schweren Etappe umdreht und sich geschlagen gibt, muss nicht enttäuscht sein. Selbst wenn man es bis zum Barafu Camp geschafft hat, hat man Großes geleistet und dann ist es wirklich vernünftig umzukehren, bevor schlimmeres passiert.

Zum Mittagessen hält Haje heute noch eine Überraschung bereit. In einer Stunde sollen wir das Camp wieder verlassen und in  4-5 Stunden auf das in 3900 Metern gelegene Mweka Camp hinabsteigen. Alle denken wir geschlossen an einen Joke, während um uns herum schon wieder das Camp abgebaut wird.

13:15 und wir sind alle wieder on the way.  Nicht zu glauben, was so ein menschlicher Körper zu leisten vermag. Fröhlich plaudernd, kraxeln wir nun wieder weiter herunter, kommen schnell in andere Vegetationszonen und haben eigentlich alle das Gefühl zwischen gestern und heute hätte noch ein weiterer Tag gelegen.

Gegen 17 Uhr treffen wir in dem wirklich schön gelegenen Mweka Camp ein. Es gibt heißen Tee und Popcorn. Tee und Popcorn werden schnell vom Dinner abgelöst, wir wetten, was es heute gibt. Reis war lange nicht dran und schon öffnet sich kurze Zeit später die Zeltplane und es gibt Reis mit Huhn und Gemüse. Zum Nachtisch frische Ananas. Unfassbar, was hierher den Weg über die ganze Woche gefunden hat.

19 Uhr zappenduster. Alle in den Zelten, strecken die strapazierten Gliedmaßen und jetzt steht tatsächlich die letzte Nacht in dem inzwischen liebgewonnenen Zelt bevor.

14-09-201

06:30, der erste Gedanke: „Game over, es ist vorbei!“ Gerne möchte ich die Zeit anhalten, wobei nicht unbedingt zurückdrehen. Wie jeden Morgen werde ich mit einer heißen Tasse Tee geweckt, habe einige Minuten mich zu sammeln und sitze sinnierend in meinem Schlafsack. Eine viertel  Stunde später wird mir eine Schüssel mit warmen Wasser gereicht - das tägliche warm, wonderfull washing. „An was für Sachen man sich auch gewöhnen kann!“

Nach dem Frühstück tanzen und singen alle Porter und Guides für uns, es wird geherzt, gelacht und viel fotografiert, dann wird abgebaut. Wieder wandern wir durch die Regenwaldebene, die wir auch am ersten Tag durchquert haben, heute aber eine andere Strecke. Es sollen heute 10 km steil bergab in 3 Stunden werden. Tage später noch werden meine Knochen und meine Hüfte quietschen und knarren wir das Gerippe eines ausrangierten Schiffswrack irgendwo am Strand von Bangladesch.

Ich werde immer langsamer, möchte eigentlich gar nicht ankommen. Ich möchte auch nicht plaudern und reden, nur für mich sein und vor mich hin bummeln. Die letzten Stunden, halbe Stunden, viertel Stunden und Minuten für mich genießen.

Dann ist es vorbei.

Zurück in der Zivilisation stehe ich vor einem WC und muss einfach nur den Knopf drücken, kann mir sogar 2x die Hände unter fließend, warmen Wasser waschen. Den Blick in den Spiegel vermeide ich. Ich habe 6 Tage nicht geduscht und mir die Mütze niemals abgenommen.

8 Tage später auf meinem Rückflug von Sansibar fliegen wir in 10.000 Metern Höhe direkt über den Kibo und ich denke: „Hey, von hier oben ist es viel näher als von unten!“